Schauen wir auf das Beispiel BioNTech: Das Unternehmen hat in den letzten Jahren relativ hohe Verluste eingefahren, und erst jetzt wird das Unternehmen wahrscheinlich gute Gewinne machen. Das heißt, die Investoren in dem Unternehmen haben über mehrere Jahre den Verlust finanziert und bekommen erst jetzt ihr Geld. Hätten die Investoren nicht in das Unternehmen investiert, würde es dieses Unternehmen gar nicht geben. Sprich, wir würden nicht eine Lösung für Corona anhand einer Impfung mit mRNA haben. Man muss anerkennen, dass es (auch private) Investoren gibt, die Vertrauen in den Geschäftsführer hatten. Sie investierten auch, weil sie Vertrauen in die Technologie haben. Sie haben diese Durststrecke vorfinanzieren können und jetzt machen sie natürlich Gewinn. Einfach zu sagen, das Patent darf nicht „sozialisiert“ werden, muss also jedermann kostenlos angeboten werden – das ist auch nicht gerecht der Welt gegenüber. Und ganz sicher ist es nicht gerecht gegenüber den Investoren, die in Vorleistung gegangen sind. Auch die Bundesregierung und die amerikanische Regierung haben Geld vorgeschoben. Das heißt, dass die Bundesregierung oder die NIH (United States National Institutes) auch einen Teil der Gewinne abschürfen dürfen. Man muss anerkennen, dass es diese innovativen Unternehmen ohne das Patentrecht nicht geben würde.
Müssen die Firmen nun mit jedem einzelnen Lizenznehmer Verträge machen, in denen genau festgehalten wird, wie lange das Produkt kostenlos genutzt werden darf?
Harrison: Grundsätzlich schon. In der jetzigen Situation wird man aber derzeit keine Verträge machen, oder wenn, dann haben die keine hohe Priorität – Verträge können nachträglich gemacht werden. In Deutschland und vielen anderen Ländern kann beispielsweise eine Zwangslizenz erteilt werden, wenn keine Verträge zustande kommen. Ich denke, wenn dritte forschende Unternehmen das patentierte Know-how von einem anderen Unternehmen benutzen möchten, dann haben sie gute Chancen, dies zu dürfen. Sie müssen keine große Patentrecherche machen, in vielen Fällen müssen sie nicht mal mit den Unternehmen sprechen. Sie können Produkte erforschen und entwickeln und nachträglich Gespräche mit den Patentinhabern führen. Wir hatten gerade einen solchen Fall. Ich habe den Inhabern geraten: „Ich gehe davon aus, dass wir eine Lizenz erhalten, entwickeln sie bitte weiter – es ist wichtiger, dass Sie Ihre Entwicklung vorantreiben, als dass Sie schon jetzt Gespräche über Patentlizenzen führen. Ihre Arbeitskraft sollten Sie in dieser Richtung konzentrieren.“ Wir haben dem Patentinhaber eine Mitteilung geschickt, aber noch keine Rückmeldung erhalten. Wir gehen aber von einer Erlaubnis aus, vorausgesetzt, dass er in der Zukunft eine Lizenzgebühr bekommt.
Zum Schluss noch eine Frage zur virtual.COMPAMED 2020: Wie war es für Sie, virtuell einen Vortrag zu halten? Hat es so funktioniert, wie Sie es sich gewünscht haben?
Harrison: Ich muss zugeben, es war eine Herausforderung. Es fehlt einfach die Möglichkeit, spontan mit den Kollegen vor Ort Gespräche zu führen. Nichtsdestotrotz: Ich glaube, das war eine Chance, Kontakte aufrecht zu erhalten und auch neue Kontakt zu knüpfen. Mir persönlich fehlt jedoch das kollegiale Zusammentreffen auf der Messe. Deshalb freue ich mich, wenn die COMPAMED wieder vor Ort stattfinden darf.