Ein internationales Forschungsteam um Dr. Justus Marquetand vom Hertie-Institut für klinische Hirnforschung und dem Universitätsklinikum Tübingen zeigt nun, dass die Untersuchung der potentiell krankhaften Muskelsignale auch mittels Quantensensoren möglich ist. Der Vorteil: Die Messung erfolgt kontaktlos und ist somit schmerzfrei. Langfristig könnte die Technik die bisherige Standardmethode teilweise ersetzen und potentiell die Muskeldiagnostik revolutionieren. Bei Kindern könnte sie erstmals eine genaue Diagnostik ermöglichen. Die Studie ist in Clinical Neurophysiology erschienen.
Grundlage für die Diagnostik mittels Quantensensoren ist das Magnetfeld, das durch die elektrische Aktivität in den Muskeln entsteht. Die magnetischen Signale dringen ungehindert an die Körperoberfläche, wo sie ohne direkten Hautkontakt gemessen werden können. Das Forschungsteam nutzte nun erstmals diese Signale, um krankhafte Muskelzuckungen, sogenannte Faszikulationen, bei fünf Patienten mit unterschiedlichen neuromuskulären Erkrankungen zu untersuchen. Dabei setzen sie eine neue Generation spezieller Quantensensoren ein: optisch gepumpte Magnetometer, kurz OPM. "Unsere Studie zeigt, dass die Untersuchung von potentiell krankhaften Muskelsignalen mittels Quantensensoren möglich ist", so Studienleiter Marquetand. "Wir sind zuversichtlich, dass OPM künftig in der Lage sein werden, weitere pathologische Muskelsignale zu detektieren und damit das schmerzhafte Nadel-EMG teilweise ersetzen können."
Der Einsatz der Quantensensoren wäre ein wichtiger Durchbruch in der täglichen neurophysiologischen Diagnostik. Mit ihrer Hilfe könnten nicht nur Schmerzen bei Patienten vermieden werden – sie könnten auch erstmals eine adäquate Muskeldiagnostik bei Kindern ermöglichen, bei denen die schmerzhafte Nadel-EMG kaum einsetzbar ist. "Eine schmerzlose und aussagekräftige Muskeldiagnostik bei Kindern ist vor allem vor dem Hintergrund aufkommender Gentherapien für genetisch bedingte neuromuskuläre Erkrankungen wie die spinale Muskelatrophie (SMA) hochrelevant", erklärt Marquetand.
Neben diesem vielversprechenden Ergebnis gelang es den Forschern in ihrer Studie, technische Limitationen der verwendeten OPM zu identifizieren. "Diese Informationen fließen nun bereits in die Entwicklung eines neuen OPM-Prototyps für die Muskeldiagnostik an der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt ein", berichtet Marquetand.
COMPAMED.de; Quelle: Hertie-Institut für klinische Hirnforschung (HIH)