Wir brauchen neue Werkstoffe und Materialien, weil wir andere physikalische Prozesse ausnutzen wollen für unsere bioinspirierten Schaltkreise. Lassen Sie es mich kurz erklären: Ein Computer funktioniert anders als ein menschliches Gehirn. Ein Computer hat ein Rechenwerk. Das ist das Programm. Das heißt, er hat eine genaue Prozedur, eine Prozessfolge, ähnlich wie ein Kochrezept. Das Gehirn funktioniert anders. Das Gehirn betreibt eine dezentrale Informationsverarbeitung. Das heißt, die Neuronen haben eine Verbindung mit im Schnitt zu 100 bis 1000 anderen Nervenzellen. Und diese Verbindungen sind flexibel. Das sind die Synapsen. Das Gehirn hat somit kein Rechenwerk, sondern eine lokale, dezentrale Informationsverarbeitung. Wenn man diese zwei Systeme vergleicht, stellen sie ganz andere Herausforderungen an die die Bauelemente, an die Systeme, die wir entwickeln wollen. Das heißt, wir können zum Teil natürlich arbeiten mit dem, was schon existiert, aber um es wirklich effizient und gut zu machen, müssen wir neue Ansätze entwickeln. Das Kryolabor ist ein Teilbereich des Ganzen.
Bis wann rechnen Sie mit Ergebnissen, die sich in der Industrie umsetzen lassen?
Ziegler: Die Zeitskala gibt uns der Energieverbrauch. Es muss das Projekt der nächsten zehn Jahre sein. Denn wie gesagt, ansonsten fehlt die Energie, um die entsprechende IT nach Bedarf zu betreiben. Wir als Universität entwickeln jedoch keine Produkte, sondern neue Ideen. Im Bereich der Grundlagenforschung sind wir meist circa 20 Jahre vor Markteinführung.
Welche möglichen Anwendungen sehen Sie in der Zukunft auch im Bereich der Medizintechnik?
Ziegler: Zum Beispiel Technik für den Hörsinn. Nehmen sie eine Unterhaltung, zum Beispiel in der Mensa oder in einem Raum, in dem ganz viele Schallquellen sind. Mit gesunden Ohren können wir uns trotz störender Nebengeräusche drauf fokussieren, was jemand sagt. Wir können bei unterschiedlichen Rauschquellen das interessante Signal herausfiltern und somit ein gutes Informationsverständnis haben. Das gelingt mit Standardhörgeräten oftmals nicht. Wir arbeiten zurzeit daran, dass wir eine Nachbildung der Cochlea erstellen. Diese soll ein adaptives Aufnehmen von Signalen ermöglichen. Das könnte sehr interessant sein für die Medizintechnik.