Die nächste Generation der Sehimplantate

Weltweit gibt es fast 40 Millionen blinde Menschen, weitere 124 Millionen leiden an einer Sehschwäche. Forschende suchen seit langem nach Möglichkeiten, das Sehvermögen zumindest teilweise wiederherzustellen, um den Alltag der Betroffenen zu erleichtern. Sehimplantate rücken mit der Miniaturisierung der Technik und der verbesserten Daten-Übertragung und Auswertung zunehmend in den Blickpunkt.

Seit den 1990er-Jahren wird an der Implantattechnologie gearbeitet, Schwerpunkt ist die Miniaturisierung der Komponenten. Bestenfalls kommen dabei derzeit rund 1.000 Elektronen zum Einsatz. Sie leisten nur einen Bruchteil dessen, was die Millionen von Sehzellen in der Netzhaut können. Dennoch bedeuten auch geringe Sehleistungen mit dem Erkennen von groben Mustern, Umrissen und Bewegungen für die Betroffenen deutlich mehr Lebensqualität.

Aktuell den größten Fortschritt bei der Miniaturisierung der Technik erreichte eine Gruppe von Forschenden der Chalmers University of Technology in Schweden, der Universität Freiburg und des Netherlands Institute for Neuroscience, denen es gelang, eine Elektrode von der Größe eines einzelnen Neurons zu entwickeln. Das Hauptproblem der Korrosion konnte durch eine einzigartige Mischung von Materialien minimiert werden, so können die Implantate über längere Zeit im Körper bleiben.

Grundlage für den Einsatz von Sehimplantaten ist der visuelle Kortex im Gehirn. Er funktioniert auch bei blinden Menschen, wenn ein Teil des Auges beschädigt ist. Er leitet Informationen der Netzhaut oder von den Elektronen der Sehimplantate an das Gehirn, wo ein Bild erzeugt werden kann. Das jetzt entwickelte, ultradünne Implantat ist nur 40 Mikrometer breit und 10 Mikrometer dick und hat damit die Maße eines gespaltenen Haars. Es wird beschrieben als Faden mit vielen hintereinander angeordneten Elektroden. Für ein Sehimplantat wären mehrere Fäden mit Tausenden von Elektroden nötig.

In der Erprobung befindet sich ein Netzhautchip, der bei altersabhängiger Makuladegeneration (AMD) helfen soll. Der Netzhautchip wird als Medium an der Stelle des schärfsten Sehens implantiert, berichtet Prof. Frank G. Holz, Direktor der Augenklinik am Universitätsklinikum Bonn. Der Chip fängt Lichtreize ein und wandelt sie in elektrische Impulse um wie die natürliche Netzhaut. Durch eine äußere Kamera wird die Seh-Information auf den Chip projiziert, dieser wandelt die Informationen in elektrische Impulse um.

Das Besondere an dieser Methode ist, dass die Energieversorgung über Photovoltaik geschehen soll. Damit entfällt das Kabel zur Stromversorgung. Mit einem Training nach der Operation lernen Patientinnen und Patienten, mit diesem Chip umzugehen.

Ein anderer Ansatz besteht darin, Sehprothesen zu verwenden, die direkt im Gehirn implantiert werden. Das Utah Electrode Array (UEA) wurde an der John A. Moran Eye Center an der University of Utah entwickelt. Es ist ein kortikales Sehimplantat, dass die Neuronen in der Sehrinde stimulieren kann. Dadurch entstehen sogenannte Phosphene: Lichtwahrnehmungen, die wie beim Reiben der Augen nicht durch Licht, sondern durch andere Reize auf das visuelle System ausgelöst werden. Ausgelöst werden diese Impulse mit einer Brille mit einer Minivideokamera, die visuelle in elektrische Signale umwandelt. Die Seherlebnisse sind rudimentär, aber schon durch das Erkennen von Menschen, Türen oder Autos können Unabhängigkeit und Sicherheit von erblindeten Menschen erhöht werden.

Ganz ohne Elektronik kommen Intraokularlinsen aus, die bei Patientinnen und Patienten mit grauem Star oder Fehlsichtigkeit eingesetzt werden. Sie ermöglichen derzeit schon bei etwa 90 Prozent der Betroffenen ein Leben ohne Brille. Der kurze Eingriff ist in der Regel schmerzfrei, die Linsen halten meist ein Leben lang. Es gibt mehrere unterschiedliche Linsentypen, je nach Alter und Erkrankung. Die Kosten belaufen sich auf mehrere Tausend Euro.

Allen derzeitigen Lösungen mit Sehimplantaten ist gemein, dass die Auflösung weit entfernt ist von dem, was ein gesundes Auge leistet. Aufgrund der Miniaturisierung und der Energieeffizienz müssen visuelle Informationen auf die unverzichtbaren Daten reduziert werden, damit blinde Personen sie noch verstehen können.

Mit den Methoden des Deep Learning sollten deswegen künftig künstliche neuronale Netze mit Bildern aus Alltagssituationen darauf trainiert werden, nur die wichtigsten visuellen Informationen zu extrahieren. Übrig bleiben könnten einfache Phosphenmuster, die im Gehirn wahrgenommen werden.  

Während bei allen Arbeiten an Sehimplantaten die Mikrotechnik bei der Lichtwahrnehmung und Weiterleitung ans Gehirn bereits eine wichtige Rolle spielt, rücken zunehmend weitere Problemlösungen in den Blickpunkt. Auch ein Forschungsteam der University of New South Wales (UNSW) in Australien hat die Energieerzeugung für Sehimplantate miniaturisiert und ins Augeninnere verlagert.

Bereits drei der kleinsten Solarzellen mit Galliumarsenid und Galliumindiumphosphid reichen aus, um die Spannung für die Signalübertragung zum Gehirn zu erzeugen. Jetzt wird erforscht, wie sich diese effizient stapeln lassen, um eine Drahtverbindung ins Auge zu ersetzen.

Das Photovoltaic Retinal Implant (PRIMA) von Science Corporation ist ein drahtloses subretinales Photovoltaikimplantat und besteht aus drei Hauptelementen: einem drahtlosen subretinalen Implantat, einer Brille mit Kamera und digitalem Projektor sowie einem tragbaren Prozessor. Die kabellose Prothese nutzt die Funktion photovoltaischer Pixel, um projizierte Lichtmuster in lokalen elektrischen Strom umzuwandeln. Das Implantat ist ein zwei Millimeter breiter, 30 Mikrometer dicker Chip mit 378 Pixeln.