Textilien mit eingebautem Infektionsschutz – der unsichtbare Schutzschild

Frühmorgens beginnt der Dienst auf der Station. Pflegerin Nina zieht ihre Arbeitskleidung an – eine Routine, die sie seit Jahren kennt. Was äußerlich wie gewöhnliche Textilien aussieht, könnte schon bald ein entscheidendes Plus bieten: einen unsichtbaren Schutz vor Bakterien, Viren und anderen Krankheitserregern. Denn gerade die Kleidung des medizinischen Personals ist tagtäglich einer Vielzahl von Keimen ausgesetzt und kann unbemerkt zu deren Verbreitung beitragen. Doch was, wenn sich in den Fasern der Kleidung ein wirksamer Infektionsschutz verbirgt, der sie dauerhaft sicherer macht?

Nosokomiale Infektionen sind weltweit ein großes Problem. Multiresistente Keime wie MRSA verursachen erhebliche gesundheitliche Risiken und belasten Gesundheitssysteme. Modellrechnungen zeigen, dass der weltweite BIP-Verlust durch antimikrobielle Resistenzen bis 2050 jährlich etwa 1,7 Billionen US-Dollar betragen könnte – in pessimistischen Szenarien sogar über 3 Billionen US-Dollar pro Jahr, so das Center for Global Development und die Weltbank.

Hinzu kommt: Klassische antimikrobielle Verfahren, etwa Silberionen-Technologien, stoßen zunehmend an Grenzen. Ihre Wirkung lässt sich oft nicht kontrollieren, Resistenzbildung ist möglich, und regulatorische Vorgaben der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) engen die Einsatzmöglichkeiten ein.

Der Bedarf an neuen, nachhaltigen Lösungen ist entsprechend hoch – insbesondere in Kliniken und Pflegeeinrichtungen, wo Hygiene entscheidend ist.

Ein Ansatz mit besonderem Potenzial kommt von den Deutschen Instituten für Textil- und Faserforschung (DITF) in Kooperation mit Heraeus. Gemeinsam arbeiten sie daran, die AGXX-Technologie in Textilien zu integrieren.

Das Besondere: AGXX basiert auf einem katalytischen Redoxmechanismus. Metallpartikel aus Silber und Ruthenium erzeugen in Verbindung mit Luftfeuchtigkeit reaktive Sauerstoffspezies – Moleküle, die Bakterien, Pilze, Algen und Viren zuverlässig abtöten. Anders als herkömmliche Verfahren verbrauchen sich die Partikel dabei nicht und setzen keine Substanzen frei. Resistenzbildung ist somit ausgeschlossen.

So unterscheidet sich AGXX von etablierten Verfahren wie Bioziden oder Silberionen:

Für Textilien bedeutet das: Eine langanhaltende, breit wirksame Schutzfunktion kann entweder über spezielle Oberflächenbehandlungen erzielt werden oder dadurch, dass die Partikel direkt in Kunststofffasern wie Polyamid eingebaut werden. Auf diese Weise ist der Infektionsschutz dauerhaft im Material selbst verankert.

Für Pflegerin Nina könnte das heißen: Ihr Kittel bleibt auch nach langen Schichten ein sicherer Begleiter – und schützt sie ebenso wie ihre Patientinnen und Patienten vor unerwünschten Keimen.

Medizinische Textilien unterliegen besonderen Anforderungen: Sie müssen auch nach vielen Waschzyklen ihre Funktion behalten, dürfen die Atmungsaktivität nicht verlieren und müssen hohen mechanischen Belastungen standhalten. Genau hier setzt die Forschungsarbeit an.

Die DITF untersuchen verschiedene Wege, AGXX in Textilien einzubinden – von Ausrüstungen und Beschichtungen für Polyester- und Polyamidgewebe bis hin zur Compoundierung in Polymerschmelzen wie PA6. Dabei gilt es, die richtige Balance zu finden: eine ausreichend hohe Konzentration von AGXX-Partikeln für maximalen Schutz, ohne die textile Struktur oder den Tragekomfort zu beeinträchtigen.

Tests bestätigen bereits die Stärken der AGXX-Technologie – einige Beispiele im Überblick:

Die Integration von AGXX in medizinische Textilien eröffnet neue Möglichkeiten für den Klinik- und Pflegebereich: Schutzkittel, OP-Bekleidung, Vorhänge oder Bettwäsche könnten künftig selbst einen aktiven Beitrag zum Infektionsschutz leisten.

Durch die langanhaltende Wirkung ergeben sich zudem Nachhaltigkeitsvorteile: weniger Einsatz von Bioziden und Desinfektionsmitteln, geringere Umweltbelastung und Kosteneinsparungen.

Die Herausforderung der kommenden Jahre wird sein, die Erkenntnisse aus dem Labor in die industrielle Textilproduktion zu übertragen. Offen bleibt auch die Frage, welche regulatorischen Hürden dabei zu nehmen sind.

Textilien sind längst mehr als passive Schutzschichten. Mit Technologien wie AGXX werden sie zu aktiven Partnern im Hygienemanagement. Die Forschung an den DITF zeigt, dass es möglich ist, Infektionsschutz dauerhaft in Gewebe einzubauen, ohne deren Gebrauchseigenschaften zu beeinträchtigen.

Für Nina schließt sich damit der Kreis: Ihre Dienstkleidung könnte in Zukunft nicht nur funktional, sondern auch aktiv schützend sein – ein unsichtbarer Verbündeter im Kampf gegen Infektionen.