Im Fokus für Brain-Computer-Interfaces: Quantensensoren auf Diamantbasis

Auf dem Gebiet der Prothesen und Exoskelette hat sich in den vergangenen Jahren viel entwickelt. Für eine wirklich intuitive und vor allem nicht-invasive Steuerungsvielfalt fehlen aktuell aber noch die Möglichkeiten. Dazu sind die derzeit eingesetzten Sensoren nicht sensitiv genug. Ein Konsortium aus Forschung und Industrie möchte das im Projekt NeuroQ ändern. Welche Rolle künstliche Diamanten dabei spielen, hat uns Dr. Jan Jeske vom Fraunhofer-Institut für Angewandte Festkörperphysik IAF verraten.

Heutige Prothesen sind dank hochwertiger Sensoren, Elektroden und Aktuatoren bereits in der Lage präzise Gegenstände zu greifen und zu halten. Dabei werden auch schon Muskelsignale erkannt und Bewegungsabläufe selbstständig von der Prothese errechnet und angepasst. Anders als eine Prothese ist ein Exoskelett kein 1:1-Ersatz eines Körperteils, sondern mehr eine Art Assistenzsystem. Daher ist die Anpassung auch leichter. Die Anzüge haben sich aber mittlerweile nicht nur in der Logistik als "Tragehilfe" bewährt, sondern auch in der Rehabilitation – speziell im Bereich der Neurorehabilitation.

Aber egal, ob Prothese oder Exoskelett, eine nicht-invasive Gedankensteuerung durch ein Brain-Computer-Interface (BCI), also eine Mensch-Computer-Schnittstelle, ist noch nicht möglich. Das Problem: Heutige Sensoren sind nicht sensitiv genug, um die dafür notwendigen komplexen "neuralen Daten" präzise und zuverlässig abzugreifen. Mit einem Implantat wäre das machbar, doch die Risiken eines solchen Eingriffs sind enorm hoch.

An der Friedrich-Alexander-Universität Nürnberg-Erlangen (FAU) stellt sich eine interdisziplinäre Forschungsgruppe die Frage, wie das Gehirn die Muskeln steuert und wie diese Signale idealerweise abgegriffen werden können. Auch hier kennt man die Problematik, dass Sensoren auf der Haut die Signale in den Muskeln nicht präzise genug messen. Worauf man genau setzt, erklärt Alessandro Del Vecchio, Professor für Neuromuskuläre Physiologie und neurale Schnittstellen an der FAU.

Bereits Erfahrung mit BCI-Systemen hat man an der Charité Berlin gesammelt. Federführend auf dem Gebiet ist Prof. Dr. Surjo R. Soekadar, Einstein-Professor für Klinische Neurotechnologie an der Charité und außerdem auch Speaker auf dem COMPAMED Innovationsforum 2022 zu diesem Thema. "Trotz der beachtlichen Fortschritte [auf dem Gebiet von BCI] ist es bislang nicht gelungen, komplexe Handbewegungen mit einem solchen nicht-invasiven System zu steuern", wird Dr. Soekadar in der Pressemitteilung zum Projektstart von NeuroQ zitiert.

Das Problem: Derzeit steht Forschenden nur die Methodik der Elektro-Enzephalographie (EEG) zur Verfügung, um sensorisch die Hirnsignale zu erfassen. Der menschliche Schädel schwächt die elektrischen Signale ab beziehungsweise verzerrt sie. Eine genaue Steuerung ist daher nicht möglich.

Besser als auf elektrische Felder zu setzen, wäre es neuromagnetische Felder zu messen. Die Messung von Magnetfeldern gehört zum Standard in der medizinischen Diagnostik. Denn in unseren Nervenzellen fließen nicht nur kleinste elektrische Ströme, sie erzeugen auch Magnetfelder. So hat die Magneto-Enzephalographie (MEG) erhebliche Vorteile gegenüber einem EEG. "Magnetfelder durchlaufen unseren Körper viel ungestörter und dadurch liefern Magnetfeldsensoren sehr viel deutlichere Signale als elektrische Sensoren", erklärt Dr. Jan Jeske vom Fraunhofer IAF in Freiburg.

Für ein Magnetokardiogramm (MKG) werden beispielsweise bereits empfindliche Magnetfeldsensoren eingesetzt – sogenannte SQUID-Sensoren (superconductive quantum interference device).

"Der Nachteil von SQUIDS ist, dass sie nur bei kryogenen Temperaturen funktionieren – also etwa bei vier Kelvin (-269 Grad Celsius). Um sie in diesen Bereich herunterzukühlen, ist flüssiges Helium notwendig. Das ist nicht nur technologisch aufwendig, sondern auch sehr teuer", so Dr. Jeske. Außerdem könne man diese Sensoren aufgrund der Tieftemperaturkühlung nicht so nah am Kopf von Patientinnen und Patienten anbringen. Mit der Entwicklung neuer, sensitiver und präziser Quantenmagnetometer, die auch bei Raumtemperatur eingesetzt werden können, ließen sich dann auch kleinste Magnetfelder beziehungsweise Hirnaktivitäten auslesen und in komplexere Steuersignale übersetzen.

Und hier kommen die Diamanten ins Spiel. Jeske ist Experte auf diesem Gebiet. Der Projektleiter will sogenannte NV-Diamanten nutzen, um hoch-sensitive Magnetfeldresonanzsensoren zu optimieren.

"Die Verwendung von NV-Diamanten als Magnetometer basiert erstmal auf der optischen Aktivität der Farbzentren. Die Diamanten emittieren rotes Licht. Gleichzeitig kann man nicht nur Licht, sondern auch Radio-Frequenzen auf sie senden. Hier spielt jetzt Quantenphysik eine Rolle. Denn diese Elektronen, die um dieses atomare System herumfliegen, deren Elektronen-Spin ist es, den man mittels Radio-Frequenz manipulieren kann." Ein Elektronen-Spin-Übergang kann adressiert werden, indem man die entsprechende Resonanzfrequenz eben jenes Übergangs trifft. Und die läge ohne vorhandenes Magnetfeld bei 2,87 Gigahertz. Gleichzeitig werde die Lichtemission dunkler. Je nachdem, wie nah man dieser Resonanzfrequenz kommt, hat das Einfluss auf die Helligkeit des Diamanten. "Und das heißt, wenn sich jetzt das Magnetfeld ändert oder neu dazukommt, dann ändert sich dadurch auch die Helligkeit der leuchtenden NV-Zentren. Und so kann man direkt aus der Helligkeit der Diamanten Rückschlüsse auf die Stärke eines Magnetfeldes ziehen", so Dr. Jeske.

Das ist aber nicht neu. Diese NV-Zentren werden bereits umfangreich genutzt – auch in der Sensorik. Ein weiterer Vorteil ist die Biokompatibilität, sodass Nanodiamanten auch als Biomarker genutzt werden können.

"Das Besondere an unserer Forschung ist: Wir wollen den NV-Diamanten als Laser-Medium verwenden und die Laser-Kavität nutzen, um ein stärkeres Signal zu erhalten."

Im vorigen Jahr gelang den Forschenden am Fraunhofer IAF ein echter Durchbruch. Sie konnten erstmals über stimulierte Emission ein Magnetfeld messen. "Wir haben also ein magnetfeldabhängiges Kavitätssignal zeigen können und das erstmalig. Sonst haben wir das Magnetfeld nur über die Fluoreszenz gemessen", freut sich der Projektleiter. Im Vergleich zur Fluoreszenzmessung war das Laser-Signal nicht nur deutlich stärker, sondern auch wesentlich kontrastreicher.

Nun muss das Konsortium dieses Lasersystem inklusive Messmethodik in ein Sensorsystem überführen und dann in ein industriell verwertbares Modul integrieren. "Einerseits müssen wir das Sensorsystem wissenschaftlich noch weiter verbessern. Und dann arbeiten wir an der Integration in ein verwendbares Modul", sagt Jeske. "Die Integration hat ganz verschiedene Aspekte: da ist die Elektronik, die Optik und der Laser und die ganze Peripherie drum herum. Wir müssen all das quasi aus dem Labor und vom Labor-Equipment übersetzen in etwas kompakteres, gut-bewegliches, was auch an Patientinnen und Patienten anwendbar ist", so der Projektleiter weiter. Dafür sind neben dem Fraunhofer-Institut auch die anderen Partner aus der Industrie involviert. Und ganz am Ende "wollen wir ja nicht nur ein Signal sehen, sondern es auch in ein Signal für die Exoskelett-Steuerung übersetzen". Und hier kommt dann wieder Prof. Soekadar ins Spiel, der die neuen Sensoren dann mit Patientinnen und Patientinnen testen möchte.

Zwar befindet sich NeuroQ noch ganz am Anfang, aber Dr. Jeske ist guter Dinge: "Das ist eine wirklich neue Technologie, die wir einen großen Schritt voranbringen." Dafür hat die Gruppe fünf Jahre Zeit und wird mit knapp neun Millionen Euro vom Bundesforschungsministerium (BMBF) gefördert. Gleichzeitig könnten die diamantbasierten Quantensensoren dazu beitragen Menschen Bewegungsfreiheit zurückzugeben. Das mache es für ihn auch zu einem Herzensprojekt.