Gerade in der Medizintechnik werden für viele unterschiedliche Anwendungen Kunststoffe verwendet. Ist auch hier der Einsatz von Vitrimeren denkbar?
Schubert: Ja, natürlich. Das ist einer der Punkte, den wir auch mit betrachten. Wenn man zum Beispiel an Implantatmaterialien denkt, die an der Oberfläche bestimmte Schutzfilme haben, damit sich etwa Gewebe nicht entzündet: Man könnte einen Kunststoff verwenden, den man wieder recyceln kann und den man wieder heilen kann. Zum Beispiel damit ein Implantat länger verwendet werden kann. Oder man verwendet Nanopartikel, die ganz gezielt Wirkstoffe abgeben können, wenn sie stimuliert werden, sodass man sie langfristig einsetzen kann. All das sind intelligente Eigenschaften von Polymeren und Kunststoffen. Man benötigt dafür chemische Bindungen, die man auf- und zu machen kann oder die reversible hin- und herschalten. Das kann man zum Beispiel mit Vitrimeren erreichen.
Gibt es solche Anwendungen bereits?
Schubert: Es gibt verschiedene Entwicklungen, die kurz vor einer Markteinführung stehen oder Hersteller, die Muster erkunden und schauen, ob das Benutzung findet. Allerdings, im Medizintechnikbereich sind die Zulassungsverfahren eine Hürde. Und im normalen Alltagsgeschäft ist es so, dass keiner Einschränkungen von Eigenschaften akzeptiert, nur damit ein Produkt "heilbar" ist. Sondern es soll diese Eigenschaft „On-Top“ haben und am besten trotzdem nicht mehr kosten. Das schränkt die Sache ein. Aber vonseiten des Gesetzgebers gibt es Druck, der sagt, die Komposite sollen für das Recycling wieder aufgetrennt werden können. Deshalb ist die Motivation, Forschungs- und Fördergelder zu investieren, gerade höher.
Wie funktioniert das Recycling dieser Kunststoffe?
Schubert: Das erwähnte Rotorblatt besteht aus Kunststoff und Glasfaser. Wenn man dieses über die Schalltemperatur erhitzt, bei der diese Bindungen aufgehen, dann kann man es einfach über ein Sieb laufen lassen. Die Verbundsachen, die drin sind, Glasfaser usw. würden hängen bleiben und das nun flüssige Polymer würde durchfließen und aufgefangen werden und beim Erkalten wieder fest wird. Im Anschluss könnte man es dann erneut verwenden.
Käme es dabei zu einem Qualitätsverlust?
Schubert: Man müsste nachweisen können, dass dies nicht so ist. Es ist momentan eine große Hürde, dass es technische Rahmenbedingungen gibt bezüglich der Festigkeit oder Biegesteifigkeit, die es zu erfüllen gilt. Wir müssen nachweisen, dass wir ein vorgegebenes Pflichtenheft führen, indem alle Normen vermerkt sind und wir diese auch erfüllen. All dies ist derzeit ein Schwerpunkt unserer Forschung.