Denken Sie, die Bundesregierung wird damit Erfolg haben?
Leonhard: Sie muss, denn sonst werden wir in die Mitte des letzten Jahrhunderts zurückgeworfen! Das gilt nicht nur für Patienten, sondern für alle. Denn wirtschaftlich wird es massiv zu spüren sein. Es ist für den Wirtschaftsstandort Europa und seine Industrie dramatisch. Denn viele Lieferketten funktionieren ohne PFAS nicht. Wenn es in Europa verboten ist, in Nicht-EU-Ländern wie den USA oder UK aber erlaubt bleibt, dann werden Firmen sich dort ansiedeln.
SPECTARIS fordert, die Fluorpolymere auszunehmen. Was zeichnet diese im Vergleich mit den anderen Chemikalien der PFAS-Familie aus?
Leonhard: Von unbedenklichen Fluorpolymeren gehen nachweislich keine Gefahren für Mensch und Umwelt aus. Sie sind nicht nur inert, sie sind auch wasserunlöslich im Gegensatz zu seifenähnlichen PFAS, die sich leicht im Wasser lösen, die bioakkumulativ sind und die sich an vielen Stellen im Wasser oder im Blut nachweisen lassen. Ein bekannt kritischer Vertreter ist die PerfluorOktanSulfon Säure (PFOS). Bis es verboten wurde, kam PFOS in Löschschäumen oder in textilen Imprägniersprays vor.
Trotzdem sollen Fluorpolymere laut ECHA-Vorschlag ebenfalls verboten werden. Sie spielen jedoch eine Schlüsselrolle allgemein in der Industrie und eben in der Medizintechnik. Dürften sie nicht mehr verwendet werden, hätte nicht nur die Gesundheitsbranche ein Problem, sondern auch die sogenannten grünen Technologien könnten nicht weiter ausgebaut werden, etwa Lithiumbatterien, Infrastruktur für Wasserstofftechnik, Wärmepumpen oder Dächer mit Photovoltaikmodulen.
Noch ist nichts endgültig entschieden, doch was raten Sie den Mitgliedern des Verbandes? Ruhig bleiben und abwarten oder bereits jetzt nach Alternativen schauen?
Leonhard: Ich denke es ist wichtig, sich zu dem Thema zu äußern! Die Konsultationsphase ist zwar abgeschlossen, aber der politische Prozess läuft. Was wir nicht brauchen können, ist eine dreijährige Hängepartie. Denn jedes international aufgestellte Unternehmen wird seine Investitionsentscheidungen unter den gegebenen Rahmenbedingungen überprüfen. Beim Vergleich zwischen den USA, der EU und Asien läuft die EU Gefahr, an die letzte Stelle einer Wunschliste gesetzt zu werden. Und das ist tödlich für unseren Standort.
Werden Sie die MEDICA bzw. COMPAMED nutzen, um über weitere Vorgehensweisen zu sprechen?
Leonhard: Selbstverständlich. Im MEDICA TECH FORUM werden wir zum Thema PFAS-Verbot auch mit einer Paneldiskussion beitragen, am 14.11.23 von 15:15 bis 17:00 Uhr. Wir möchten über das Für und Wider diskutieren. Auch die Zulieferer, die auf der COMPAMED vertreten sind, werden sicherlich viele Fragen und Ideen zu dem Thema haben.