Herr Dr. Synatschke, Sie haben zur Wundheilung mit Nanofasern geforscht. Woraus bestehen diese genau?
Dr. Christopher Synatschke: Unsere Arbeitsgruppe arbeitet mit sogenannten „Self-assembly Peptides“. Das sind kurze Aminosäureketten, die wir synthetisch im Labor herstellen. Sie können sich von allein zu Überstrukturen anordnen, daher der Begriff "self-assembly". Bei denen, die wir untersucht haben, gibt es verschiedene Arten von Überstrukturen. Einige von ihnen können Nanofasern ausbilden. Wir konnten nachweisen, dass sie sich besonders gut für die Anwendung zur Wundheilung eignen. Wir verwenden Peptide mit circa 7 bis 15 Aminosäuren.
Sie haben sie zunächst in Zellkultur getestet. Wie und warum?
Synatschke: Getestet wurde in Kooperation mit der Gruppe von Prof. Bernd Knöll am Institut für Physiologische Chemie der Universität Ulm. Dort ist man spezialisiert auf neuronale Zellkulturen. Wenn man wie wir Biomaterialien entwickelt, dann möchte man langfristig eine therapeutische Anwendung generieren. Um diese vorzubereiten, sind entsprechende Vortests notwendig. Man untersucht, welche dieser verschiedenen Aminosäureketten Potenzial haben, um weitere Tests zu bestehen. Das geschieht in einer Zellkultur. Das waren in diesem Fall periphere Nervenzellen, die aus Tieren entnommen wurden. Die Arbeitsgruppe von Prof. Knöll hat einen Assay entwickelt, der computergesteuert auszählen kann, wie gut Zellen anwachsen, wenn sie unsere Materialien als Basis verwenden. Das ist ein Vortest, damit man aus der großen Masse an Materialien, die wir herstellen können, aussortieren kann, welche infrage kommen und welche nicht. Wir haben eine Bibliothek erstellt von circa 30 verschiedenen Aminosäureketten. Dann haben wir zwei für weitere Studien ausgewählt.
Welcher Test wurde mit diesen zwei Peptidsequenzen durchgeführt?
Synatschke: Im Tierversuch wurde einer Maus auf einer Seite der Gesichtsnerv durchtrennt, der für die Bewegung der Schnurrhaare zuständig ist. So wurde eine Nervenverletzung simuliert, wie sie zum Beispiel durch einen Unfall auftreten kann. Beim Menschen wird in solchen Fällen derzeit ein sogenannter Graft eingesetzt. Das heißt, es wird ein Nervenstrang an einer Stelle des Körpers entnommen, an die beschädigte Stelle eingesetzt und zusammengenäht, um die Lücke zu überbrücken. Unser Material wird jedoch nicht genäht, sondern ist flüssig. Es kann, wie im Tierversuch geschehen, mit einer Spritze an die betroffene Stelle eingebracht werden. Über drei Wochen hinweg konnte es an der applizierten Stelle nachgewiesen werden. Und weil es wie ein Gerüst funktioniert, an dem sich Zellen orientieren können, hilft es, das Zellwachstum anzuregen und den Defekt zu überbrücken. Um die Ergebnisse im Bild festzuhalten, wurde die Maus mit einer Kamera beobachtet. So konnte nachgewiesen werden, ob und wann sich die Schnurrhaare wieder zu bewegen beginnen. Ohne Behandlung kann innerhalb von drei Wochen eine fast vollständige Regeneration festgestellt werden. Im Versuch mit dem von uns eingebrachten Material ging es schneller und die Synchronität der Schnurrhaarbewegung war höher als ohne Behandlung.