Tsarkova: Der Vorteil ist, dass PLA nicht nur bio-basiert, sondern auch bio-kompatibel und biologisch abbaubar ist. Daher wird es bereits intensiv im medizinischen Bereich verwendet, beispielsweise für OP-Fäden oder für Implantate. Das bekannte Problem betrifft die mechanischen Eigenschaften: Das Material neigt zur Sprödigkeit und wird bei hohen Temperaturen jenseits von 60 Grad Celsius schnell hydrolytisch abgebaut. Am Beispiel der Implantate kann die Lebensdauer mit den entsprechenden Auswirkungen gut beschrieben werden. Die Implantate sollen bestimmte Funktionen erfüllen, also das Wachstum von Knochen oder Gewebe nur für eine bestimmte Dauer mechanisch unterstützen. Das bedeutet, dass die Abbaubarkeit von PLA auch zum Vorteil genutzt werden kann. Nachteilig wird es jedoch dann, wenn das Material bereits vor der gewünschten Dauer spröde wird und an Festigkeit verliert. Das würde bedeuten, dass das Implantat bricht, ohne dass die Knochen zusammengewachsen sind. Die Herausforderung zur Verwendung von PLA ist also die mechanischen Eigenschaften so zu gestalten, dass diese über die gesamte Produktlebensdauer erhalten bleiben. Im Idealfall wird das Produkt dann anschließend biologisch abgebaut.
In unserer Arbeit haben wir uns mit PLA-Vliesstoffen sowie mit Monofilamenten aus PLA, welche zum Beispiel als OP-Fäden zum Einsatz kommen, beschäftigt. Wir haben festgestellt, dass dieser Nachteil der Polylactid-Sprödigkeit durch bestimmte Herstellungsverfahren verhindert werden kann, sodass die PLA-Fasern tatsächlich sehr fest und duktile sind, aber trotzdem über die attraktiven Eigenschaften wie biologische Abbaubarkeit verfügen. Das Kernergebnis der Forschung ist, dass das Material durch die Herstellungsverfahren so programmiert werden könnte, dass es eine gewisse Zeit, in der es seine Funktion erfüllen soll, stabil und fest ist, und wenn es nicht mehr benötigt wird, baut es sich langsam zu CO2 ab, ohne Spuren von Mikroplastik zu hinterlassen. Im nächsten Schritt wollen wir dieses Verwendungsprinzip auf Vliesstoffe übertragen, um diese zum Beispiel in Wundkissen einzusetzen.
Wie sieht die Filterleistung des PLAs aus und was könnte man damit filtern?
Tsarkova: Der größte Nachteil des PLA- Stoffs ist, dass er nicht über 60 °C angewendet werden kann, weil das nahe an der Glasübergangstemperatur des Stoffs liegt (das Polymer wird weich). Aus Sicht der Unternehmen ist das nicht wirtschaftlich, denn die Filterhersteller lassen ihre Produkte meist bis zu 70 °C zertifizieren, das entspricht einem allgemeinen Standard. Aber im Filtrationsbereich gibt es natürlich Anwendungsfelder, wo die Temperaturen von 40-50 °C nicht überschritten werden. In der Automobil-Branche wäre der PLA-Filter also nicht anwendbar. Für die Filtration in medizinischen und bio-technologischen Bereichen sowie in der Wasseraufbereitung oder in der Herstellung von Vliesstoffen und Meltblowns für Gesichtsmasken, aber schon.
Taubner: Von der Filterleistung her kann PLA durchaus mithalten. Es können Aerosole damit aus der Luft gefiltert werden, beispielsweise mit FFP2-Masken.
Ist so ein Filter ebenso lange haltbar wie ein herkömmlicher fossiler Filter?
Tsarkova: Bei einer Lagerung unter normalen Bedingungen bezüglich Temperatur und Feuchtigkeit besteht keine Gefahr. Wir haben auch nach drei Jahren Lagerung keine Änderung der mechanischen Eigenschaften messen können. Aber je höher die Temperatur und die Feuchtigkeit sind, desto schneller baut PLA sich ab. Ab 60 °C und 80 Prozent Feuchtigkeit bauen sich diese Filter innerhalb von ein paar Wochen ab.
Taubner: Denn das sind ja die Bedingungen, die bei einer industriellen Kompostierung vorherrschen würden, und da ist ja auch das Ziel, dass die Filter sich zersetzen. Das sind dann Bereiche, in denen PLA nicht mehr anwendbar ist.
Gäbe es neben den Luftfilter-Anlagen noch weitere Möglichkeiten, diese Filter im Bereich der Medizintechnik einzusetzen?
Tsarkova: Ich glaube, die Filtermembran kann bei allen Anwendungen genutzt werden, die nicht die kritischen Temperaturen erreichen. Auch Wasser an sich ist kein Problem, weil das Produkt hydrophob ist. Solange der Filter nicht über viele Jahre verwendet wird – und das wird er weder in Luftfiltern noch in medizinischen Masken – kann er genutzt werden.