Was macht die gedruckten Sensoren aus?
Neugschwender: Durch die Möglichkeit unterschiedliche Druckpasten basierend auf verschiedenen Materialien übereinander zu drucken, ergeben sich Schichtsysteme, welche neue mechanische Eigenschaften erzeugen. Die wohl wichtigste neue Eigenschaft, neben der Gewichtsersparnis und den geringen Produktionskosten ist die Flexibilität der Sensorik. Wir nutzen diese Eigenschaft, um medizinische Elektroden für die Elektrokardiographie (Messung der Herzaktivität) und der Elektromyographie (Messung der Muskelaktivität) neu zu erfinden. Bislang werden die Elektroden manuell auf der Haut platziert, mit Kabel kontaktiert und können nicht über eine längere Zeit angewendet werden. Wir haben die Elektroden weiterentwickelt, sodass diese sich ganz einfach in enganliegende Sportkleidung integrieren lassen. Unsere Sensoren machen es erstmals möglich, die Messmethoden in den Alltag zu integrieren und so z. B. die Muskelaktivität allein durch das Tragen von Kleidung transparent zu machen. Die textilen Elektroden generieren identische Messergebnisse und unterscheiden sich lediglich in der Beschaffenheit der Elektronik. Dabei ist die Haptik vergleichbar mit einem normalen T-Shirt und stört den Bewegungsablauf nicht.
Angefangen habt ihr aber an der Hochschule München. Wie seid ihr auf die Idee gekommen und was waren eure ersten Schritte bei der Entwicklung?
Neugschwender: Ich hatte jahrelang Probleme mit dem Rücken. Die Frustration über die Schmerzen führten zu der Motivation, mehr über deren Ursprung zu erfahren. Durch das in meinem Studium "Druck- und Medientechnik" vermittelten Wissens über die Drucktechnologie, kam die Idee künftig Biosensorik für eine erweitere Rückendiagnostik zu entwickeln.
Im ersten Schritt haben wir uns Hilfe bei Prof. Dr. Moosheimer gesucht. Er ist Professor für gedruckte organische Elektronik und hat uns zu Beginn eine Einschätzung zur Machbarkeit sowie Tipps zur Umsetzung gegeben. Anschließend hielten wir Rücksprache mit weiteren Fachkundigen sowie Instituten und Forschungseinrichtungen im Bereich der Elektromyografie und der gedruckten Elektronik, um am aktuellen Stand der Technik zu entwickeln.
Anfang Januar 2021 wurden dann in enger Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Moosheimer die ersten Sensoren gedruckt und Haupteinflussfaktoren charakterisiert. Die Messergebnisse waren vielversprechend, allerdings mussten die Sensoren noch weiter auf ihre Flexibilität, Robustheit und Produktionsstabilität optimiert werden.
Dazu testeten wir mehrere Versuchsreihen mit verschiedenen Schichtsystemen neu entwickelter Pasten. Parallel haben wir an einem Druckverfahren gearbeitet, welches substratunabhängig ist, sodass wir die Sensoren nicht nur auf Textil, sondern auch auf andere Oberflächen wie z. B. Prothesen oder als eigenständiges Tattoo applizieren können.
Eine aktuelle Herausforderung ist die Kontaktierung – also die Schnittstelle der flexiblen gedruckten Elektronik zur konventionellen Elektronik. Dafür wurden verschiedene Lösungsansätze entwickelt, die wir in den nächsten Monaten ausgiebig testen werden.