Würde das Implantat dann durch eine Induktionsspule geladen?
Schneider-Ickert: Wir haben in den letzten Jahren unterschiedliche Methoden entwickelt, Induktion ist eine. Es funktioniert zum Beispiel auch per Ultraschall. Wenn es um Kommunikation geht, gibt es auch optische Methoden. Ultraschall reicht zum Beispiel relativ weit ins Gewebe, könnte also für tieferliegende Implantate verwendet werden. Für Implantate, die nicht tief implantiert sind, ist Induktion eigentlich noch immer die effektivste Variante. Um auf die Miniaturisierung zurückzukommen: Auch das Design der Elektronik ist so zu gestalten, dass man wenig Bauteile dafür braucht. Wir arbeiten gerade an einem EU-Projekt EXTEND mit, in diesem verpacken wir einen ASIC in einen Silikonschlauch mit Elektroden. Der Außendurchmesser beträgt weniger als einen Millimeter. Das funktioniert aber nur, wenn der ASIC wie im Fall von EXTEND nur 0,3 Millimeter Breite hat.
Sie sprachen gerade schon die Langlebigkeit der Produkte an. Wie lange halten die Implantate in der Regel?
Ruff: Das lässt sich nicht allgemein sagen. Ein Herzschrittmacher liegt bei circa fünf bis zehn Jahren, dann muss vielleicht die Batterie getauscht werden. Ziel ist deshalb, dass der Energieversorger außerhalb sitzt, sodass die Implantate auch mal 20 Jahre oder lebenslang halten.
Testen Sie das als Entwickler bereits oder erfahren Sie es erst, wenn Resultate von Anwendern Sie erreichen?
Schneider-Ickert: Den Energieverbrauch kann man ganz gut im Labor nachvollziehen, weil man weiß, welche Anforderungen das System hat. Man kann es zum Beispiel beschleunigen und hochrechnen. Wenn man verschiedene Komponenten eines Implantats betrachten muss, ist es nicht immer so einfach zu berechnen.
Um noch mal auf das Thema "Netzwerk" zurückzukommen. Ist es schwierig, ein solches in den Körper einzubringen?
Ruff: Um direkt mal mit dem Vorteil eines Netzwerkes anzufangen, da sie die Biostabilität angesprochen haben: Die Netzwerke haben einen sehr großen Vorteil. Normalerweise, wenn ich an mehreren Punkten im Körper stimulieren möchte, verwende ich ein Zentralimplantat, zu dem die Implantatelektronik hinführt. Und genau diese Kabelverbindungen sind natürlich der wunde Punkt einer solchen Elektronik. Sie können sich vorstellen, wenn es zum Beispiel eine Handprothesensteuerung ist und ich muss die Kabel, die zu einer Ableitung oder zu einer Stimulation im Unterarm führen, über Gelenke bis in den Brustbereich führen: Dann ist es eine Frage der Zeit, dass diese Kabel Schaden nehmen. Wenn ich aber ein Netzwerk von miniaturisierten Implantaten habe mit integrierter Stimulationseinheit, mit Ableiteinheit und einem System, das die Energie empfängt - dann kann ich auf diese Kabelstränge verzichten. Und wenn tatsächlich mal ein Implantat ausfällt, dann ist die Revision dieses Implantats natürlich wesentlich einfacher. Denn eine kleine miniaturisierte Implantatelektronik lässt sich viel leichter austauschen als das eben beschriebene zentrale Implantat. Das sind die Vorteile, die wir uns erhoffen und deswegen forschen wir in diese Richtung.
Aber es gibt immer eine Kehrseite der Medaille. Ich muss nicht nur ein Implantat mit Energie versorgen, sondern ich muss ein ganzes Netzwerk versorgen. Und jedes Implantat hat einen ganz individuellen Bedarf an Energie! Ein Implantat stimuliert vielleicht, das andere ist gerade im Stand-by. Das dritte Implantat liegt dafür drei Muskelschichten tiefer. Also jedes Implantat hat seinen spezifischen Energiebedarf, der zeitlich variiert und diesen muss ich decken. Leider funktioniert es nicht, dass ich beliebig viel Energie in den Körper einpräge. Denn dadurch würde Verlustleistung anfallen. Das Implantat würde sich erwärmen und das ist natürlich ein klarer Verstoß gegen die regulativen Anforderungen. Deshalb muss ich dafür sorgen, dass jedes Implantat wirklich nur die Energie bekommt, die es benötigt. Gleichzeitig muss es so viel Energie erhalten, dass es in seiner Funktion nicht unterbrochen wird. Wir entwickeln hierfür eine spezielle Closed-Loop-Steuerung und das ist die große technologische Herausforderung. Genauso verhält es sich mit der Kommunikation. Ich kommuniziere nicht mehr mit einer Basisstation und einem Implantat, sondern ich kommuniziere im Verbund der Implantate. Diese tauschen untereinander gegebenenfalls auch Informationen aus. Vielleicht erreiche ich mit meiner extrakorporalen Basisstation gar nicht alle Implantate. Das heißt, die Befehle, die von außen nach innen geschickt werden, müssen vielleicht über mehrere Implantate geroutet werden. Man hat hier eine richtige Netzwerkarchitektur und das ist ebenfalls eine Herausforderung.