Welche Rolle spielt Künstliche Intelligenz (KI) bei diesem Prozess?
van Lengen: Eine KI kann an vielen Stellen bei der Produktion helfen. Sie kann zum Beispiel dabei helfen, einen Wirkstoffkandidaten von vornherein als nutzlos auszuschließen oder sie kann die Produktion einer Anlage überwachen und verbessern. Die Qualitätssicherung unserer Anlage sowie die Prozesssteuerung, sprich die Steuerung von Pumpe, Mischer und Co., werden vollständig digital abgebildet – über einen digitalen Zwilling und auch mithilfe KI-gestützter Software-Tools.
Die KI unterstützt uns, indem sie zum Beispiel meldet, dass ein Parameter nicht optimal eingestellt ist. So ist es zumindest für das Projektende angedacht. Derzeit arbeiten wir jedoch noch an der Anlage und testen, ob sie tut, was sie soll, nämlich mRNA zu verpacken. Derzeit testen wir aus Kostengründen mit Substituenten. Gegen Ende des Projektes werden wir mit einem Impfstoffkandidaten gegen das West-Nil-Virus testen, da ein Projektpartner ein Patent darauf besitzt. Wir haben eine mRNA, die auf dieses Virus kodiert ist. Wir schauen, ob unsere Anlage es korrekt verpackt und es eine Wirksamkeit erzeugen kann.
Welche Software verwenden Sie für die Produktionsüberwachung?
van Lengen: Wir benutzen verschiedene Softwaretools. Die Prozesssteuerungssoftware COPE vom Fraunhofer IPT, welche die Ansteuerung der Einzelkomponenten übernimmt. Das heißt, die Software gibt zum Beispiel einer Pumpe den Befehl sich in eine bestimmte Richtung zu bewegen, um dort etwa Flüssigkeit abzugeben. Darüber hinaus benutzen wir die Industrie-4.0 Middleware Eclipse BaSyx vom Fraunhofer IESE, die eigentlich für die Industrie 4.0 entwickelt wurde, um Produktionsabläufe und die Qualitätskontrolle zu steuern.
All dies verknüpfen wir, um mit der Screening-Anlage schnell und zielgerichtet produzieren zu können. Dabei können wir das Risikomanagement digital modellieren, also als abstraktes Modell darstellen. Die Kolleginnen und Kollegen der Abteilung haben auf Basis dieses abstrakten Modells Algorithmen entwickelt, die daraus automatisch digitale Zwillinge für die Qualitätskontrolle erzeugen. Das hat den Vorteil, Änderungen der Regularien blitzschnell nachvollziehen zu können.
Man baut es in diesen Fällen in das Modell ein, generiert einen neuen Zwilling und schon hat man die Information übernommen und kann so sehr flexibel reagieren. Das gilt auch für einzelne Teile, wenn zum Beispiel eine Pumpe ausgetauscht werden muss. Wenn das verbaute Modell etwa nicht mehr lieferbar ist, kann ich problemlos einen anderen Hersteller nehmen. Die einzige Herausforderung: jede Änderung der Anlage muss neu zertifiziert werden. Denn sie produziert Medikamente, die von Menschen eingenommen werden sollen. Hier gelten besondere Bestimmungen, denn die Qualität muss gleichbleibend hoch sein. Hier suchen wir derzeit nach digitalen Methoden der Zertifizierung, um schneller zertifizieren zu können, als es bislang möglich ist. Sonst würde man den Vorteil, den man durch einen schnellen Austausch einer Komponente erzielt hat, sofort wieder verlieren. Dieser Aspekt wird in den nächsten ein bis zwei Jahren weiterer Gegenstand unserer Forschung sein.
Bis wann soll das Projekt abgeschlossen werden?
van Lengen: Bis Ende 2025 soll die Anlage am Fraunhofer IMM in Mainz fertig aufgebaut sein und auch Industriepartnern zur Verfügung gestellt werden.
Sehr weit in die Zukunft geschaut: Was denken Sie, wann werden Patientinnen und Patienten von dem neuen Verfahren profitieren?
van Lengen: Gute Frage, da kann ich nur spekulieren. Wir denken darüber nach, in Kooperation mit anderen Instituten solche Anlagen zu konzipieren, zu entwickeln, zu zertifizieren und aufzubauen. Dann könnte eine Produktion beispielsweise an einer Universitätsklinik aufgebaut werden. Aber realistisch gesehen dauert es bestimmt circa fünf bis zehn Jahre, bis es so weit ist.