Es ist zug- und reißfest, hochelastisch und elektrisch leitfähig. Graphen verfügt über vielerlei außergewöhnliche Eigenschaften, was revolutionäre Anwendungen in den unterschiedlichsten Bereichen ermöglicht. Nicht umsonst hat die EU das "Graphene Flagship" ins Leben gerufen, das mit einer Milliarde Euro unterstützt wird und somit als größte europäische Forschungsinitiative gilt.
Aus diesen Aktivitäten entstand nun zusätzlich ein vom Schweizerischen Nationalfonds (SNF) gefördertes Projekt, das vor kurzem an der Empa und am AMI angelaufen ist. Dabei kommt ein zelluläres 3-D-Lungenmodell zum Einsatz, mit dem die Forschenden herausfinden möchten, welche Auswirkungen Graphen und Graphen-ähnliche Materialien auf die menschliche Lunge haben können. Eine Herausforderung, denn Graphen ist nicht gleich Graphen. Je nach Herstellungsmethode und Prozessierung entstehen unterschiedlichste Formen und Qualitäten des Materials, die wiederum verschiedene Reaktionen in der Lunge auslösen können.
Das Forschungsteam um Peter Wick, Tina Bürki und Jing Wang von der Empa und Barbara Rothen-Rutishauser und Barbara Drasler vom AMI hat kürzlich seine ersten Ergebnisse im Fachmagazin Carbon publiziert. Mit dem 3-D-Lungenmodell ist es den Forschenden gelungen, die tatsächlichen Bedingungen an der Luft-Blut-Schranke sowie die Auswirkung von Graphen im Lungengewebe realitätsgenau nachzustellen – ohne Versuche an Tier oder Mensch. Dabei handelt es sich um ein Zellmodell, das die Lungenalveolen abbildet.
Gewöhnlich werden Zellen in einer Kulturschale in einer Nährlösung kultiviert und in dieser Form Materialien, zum Beispiel Graphen, ausgesetzt. In der Realität, also an der Lungenbarriere, ist dies allerdings anders. "Der menschliche Organismus kommt am ehesten durch die Atemluft mit Graphenpartikeln in Kontakt", so Tina Bürki von der Empa-Forschungsabteilung "Particles-Biology Interactions". Die Partikel werden also eingeatmet und kommen direkt mit dem Lungengewebe in Berührung. Die dreidimensionale Zellkultur "atmet" quasi die Graphen-Stäube ein.
Diese Versuche im 3-D-Lungenmodell brachten nun erste Resultate. Die Forschenden konnten nachweisen, dass sich keine akuten Schäden in der Lunge bilden, wenn Lungenepithelzellen in Kontakt mit Graphenoxid (GO) oder sogenannten Graphennanoplatelets (GNP) kommen. Dazu gehören Reaktionen wie der plötzliche Zelltod, oxidativer Stress oder Entzündungen.
Um auch chronische Veränderungen im Körper aufzuspüren, läuft das SNF-Projekt drei Jahre; als Nächstes stehen langfristige Studien mit dem Lungenmodell an. Wick und sein Team setzen die Lungenzellen dabei nebst reinen Graphenepartikeln auch abgeriebenen Graphenpartikeln aus Komposit-Materialien aus, die klassischerweise zur Verstärkung von Polymeren eingesetzt werden. Anhand dieser Daten setzt das Team das 3-D-Lungenmodell realitätsnahen Gegebenheiten aus und ist in der Lage, längerfristig Voraussagen zur Toxizität von Graphen und Graphen-ähnlichen Materialien zu treffen.
COMPAMED.de; Quelle: Empa