Pflanzen und Mikroorganismen wie Pilze und Bakterien bilden verschiedenste chemische Stoffe, die für ihr Überleben nicht unbedingt notwendig sind. Solche sogenannten Sekundärmetabolite werden meist als Antwort auf aktuelle Umweltbedingungen gebildet. Dazu gehören auch metallbindende Moleküle, Chelatoren genannt. Die am besten beschriebene Gruppe der Chelatoren sind die eisenbindenden Siderophore. Sie sind relevant für viele Stoffwechselprozesse, da Eisen ein essenzieller Bestandteil vieler Enzyme und Signalwege ist. So holen sich zum Beispiel krankmachende Bakterien mittels der Siderophore Eisen aus ihrem Wirt für ihren Stoffwechsel. Der Wirt kann dann unter Eisenmangel leiden. Aber auch im Boden lebende Bakterien nutzen Siderophore, um sich Eisen verfügbar zu machen und so einen Vorteil gegenüber anderen Organismen desselben Lebensraums zu verschaffen. Neben eisenspezifischen Chelatoren gibt es eine Reihe anderer für diverse Metalle und Metalloide wie zum Beispiel Zink, Vanadium, Molybdän oder gar Uranoxide.
"Für solche Chelatoren gibt es verschiedenste Anwendungsmöglichkeiten", beschreibt Dirk Tischler. "Man kann sie zum Beispiel nutzen, um Böden zu sanieren, Rohstoffe selektiv zu gewinnen oder zu trennen, oder auch für die Biosensorik oder die Medizin."“ Hier kommen Siderophore zur Behandlung von Eisenüberladung im Körper, der sogenannten Eisenspeicherkrankheit zum Einsatz.
In den vergangenen Jahren hat seine Arbeitsgruppe gemeinsam mit anderen Teams weitere Stämme identifiziert, die Chelatoren bilden, und neue Strukturen beschrieben. Außerdem ist es gelungen, die genetischen Informationen für die Bildung dieser Stoffe zu entschlüsseln und in einfach zu handhabende Organismen wie Escherichia-coli-Bakterien einzuschleusen. Diese dienen dann als Produzenten der gewünschten Naturstoffe oder auch modifizierter Stoffe. "Wir konnten so semiartifizielle Verbindungen herstellen", so Dirk Tischler.
Im Übersichtsartikel beschreibt er die verschiedenen natürlichen Chelatoren und deren Fähigkeiten, Metalle und Metalloide zu binden, und lotet aktuelle und mögliche Anwendungen aus. "Aktuell nutzen wir das zusammengetragene Wissen, um künstliche biosynthetische Wege zu schaffen, mit denen wir Vorstufen von Siderophoren erzeugen und charakterisieren können", so Tischler. Diese sollen anschließend chemisch modifiziert werden und so den Zugang zu neuen Wirkstoffklassen ermöglichen.
Die Arbeiten wurden teilweise finanziell gefördert von der Dechema im Rahmen des Max-Buchner-Stipendiums MBFSt 3646 sowie vom Ministerium für Innovation, Wissenschaft und Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen (PtJ-TRI/1141ng006).
COMPAMED.de; Quelle: Ruhr-Universität Bochum