Die Planung der operativen Entfernung von Teilen einer Leber – die sogenannte Leberresektion – mit 3D-Modellen bietet erhebliche Vorteile. In der Diagnostik verwendete CT- und MRT-Aufnahmen bieten nur zweidimensionale Schwarzweiß-Ansichten. Im Rahmen des Projekts VIVATOP („Vielseitiger Immersiver Virtueller und Augmentierter Tangible OP“) werden sie zu farbigen 3D-Visualisierungen weiterverarbeitet.
„Dadurch lässt sich die räumliche Darstellung eines Organs in Echtzeit nach Belieben drehen, wenden, manipulieren und zur detaillierten OP-Planung heranziehen – oder auch zur Orientierung während des Eingriffs“, sagt Projektleiter Professor Rainer Malaka vom TZI. „Trotz der großen Datenmenge, die dabei kontinuierlich neu berechnet werden muss, treten keine Verzögerungen auf.“
Automatisch erzeugte Schatten erleichtern die Tiefenwahrnehmung innerhalb des Organs und seiner komplexen arteriellen und venösen Gefäßarchitektur sowie ihren anatomischen Varianten. Weitere Funktionen ermöglichen beispielsweise die präzise Messung von Abständen zwischen zwei Punkten und lösen einen Warnhinweis aus, wenn ein geplanter Schnitt wichtige Blutgefäße verletzen würde.
Eine Besonderheit ist dabei auch, dass Anwender diese Funktionen in VR (Virtual Reality) und AR (Augmented Reality/Erweiterte Realität) nutzen können. Mit handelsüblichen VR-Brillen kann ein interdisziplinäres Ärzte-Team den Eingriff detailliert vorbesprechen und dabei das Organ mit Gesten drehen und vermessen.
In ersten Versuchen anhand von realen OP-Planungen, bei denen dieses Verfahren ergänzend zu den herkömmlichen Methoden eingesetzt wurde, haben Chirurgen bereits den Nutzen in der Praxis bestätigt. Die Verfahren wurden darüber hinaus erfolgreich im interdisziplinären Kontext eines Tumorboards – einer Fallbesprechung mit Ärzten verschiedener Fachrichtungen – eingesetzt. Dies ermöglichte eine bessere Einschätzung der chirurgischen Behandlung von Patienten.
Das AR-Verfahren soll vor allem während der Operation zum Einsatz kommen. Chirurgen können dann beispielsweise das 3D-Modell auf ihrer Brille über dem realen Operationsfeld anzeigen lassen, um sich räumlich zu orientieren.
Die Projektbeteiligten entwickeln parallel neue Lösungen, die es Ärzten ermöglichen, neben der visuellen auch eine extrem realitätsnahe, physische 3D-Darstellung des Organs zu erzeugen. Fallspezifische Modelle aus dem 3D-Drucker sollen das räumliche Betrachten, Begreifen und Erkennen des individuellen Befundes unterstützen. Damit erschließt VIVATOP eine völlig neue Dimension des chirurgischen Trainings sowohl in der Ausbildung als auch in der Vorbereitung von patientenspezifischen Operationen.
Eine weitere Option besteht in der Integration von Sensoren in die physischen 3D-Modelle. So erhalten Chirurgen beim Training sofort wertvolles Feedback, wenn sie Fehler machen. Das Training wird damit interaktiv erfahrbar.
Im Rahmen von VIVATOP werden darüber hinaus weitere 3D-Lösungen entwickelt, die den geplanten Weg eines Patienten begleiten – von der Therapieplanung über die Operationsplanung und die Operation bis zum Aufklärungsgespräch der Patienten. Die Technologien unterstützen auch die Ausbildung von Chirurgen sowie die Kooperation über große Entfernungen hinweg.
COMPAMED.de; Quelle: Universität Bremen