Produkte herzustellen, deren funktionale Oberflächen aus Freiformflächen mit integrierten Mikrostrukturen bestehen, ist eine anspruchsvolle Aufgabe: Durch die zunehmende Komplexität der geometrischen Strukturen kommen ultrapräzise Fertigungsverfahren wie das Zerspanen mit Diamantwerkzeugen immer öfter an ihre Grenzen. Bis heute werden die Fertigungsmaschinen manuell und iterativ eingestellt, bis der Herstellungsprozess so optimiert ist, dass die gewünschte Oberflächengüte erreicht wird. Die Effizienz des Einrichteprozesses ist bei diesem herkömmlichen Ramp-up abhängig von der Erfahrung und der Kompetenz des Bedienenden. Ziel im Projekt "UP_Ramp-up" ist es deshalb, den Ramp-up-Prozess durch den Einsatz künstlicher Intelligenz (KI) vollständig zu automatisieren. Dies senkt den Materialaufwand und die Fertigungskosten erheblich. Die Experten haben sich vorgenommen, die Planungs- und Fertigungszeit für das Herstellen von Replikationswerkzeugen mit Mikrostrukturen für Mikrolinsenarrays um den Faktor vier zu reduzieren.
Die Qualität der Materialbearbeitung hängt direkt mit der hochpräzisen Bewegungsführung der Maschinenachsen zusammen: Werden die individuellen Parameter der einzelnen Maschinenkomponenten abgestimmt, lassen sich die Bewegungen sehr präzise ausführen. Hochpräzise Formen können eingehalten und sehr geringe Oberflächenrauheiten erzielt werden. Während die mechanischen Zusammenhänge in komplexen Ultrapräzisionsmaschinen inzwischen bekannt sind, sind die Einflüsse der steuerungs- und regeltechnischen Komponenten noch nicht ausreichend analysiert. Hier setzen das Fraunhofer IPT und Innolite auf künstliche Intelligenz, die auf moderne Methoden aus dem so genannten Reinforcement Learning zurückgreift. Das bedeutet, dass die angelernten Algorithmen selbst Entscheidungen treffen können. Ziel ist es, die KI-Anwendung vor dem Einstellungsprozess ohne Bauteil zu trainieren und in der Folge in den Fertigungsprozess so zu integrieren, dass sie selbständig optimale Parameter anpasst.
Für das Training der KI-Modelle nutzen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Daten, die mithilfe sogenannter Luftschnitte im Fertigungsprozess ohne Bauteil automatisiert generiert werden. Menschliches Expertenwissen und Fertigungsdaten aus realen Prozessen ergänzen den Datensatz. Weitere Prozessdaten verarbeiten sie mit Methoden der Mustererkennung. Die künstliche Intelligenz hat im Produktionsprozess Zugriff auf sämtliche Parameter, die in der Maschine erhoben werden. Die Datenerhebung und die folgende Bereitstellung eines auf den Fertigungsprozess optimierten Parametersatzes erfolgen komplett automatisiert und beschleunigen die gesamte Regelparametrisierung erheblich. Mithilfe der Modellierung, die die KI errechnet hat, sind so präzise Vorhersagen möglich, dass bereits das erste Bauteil im Toleranzbereich gefertigt wird.
Die Projektpartner entwickeln darüber hinaus ein generalisiertes Modell, das für weitere Anwendungen zur Parameteroptimierung eingesetzt werden kann. Gerade kleine und mittlere Unternehmen profitieren von einer prozessintegrierten KI-Lösung, mit der sie ihre Maschinenregelung verbessern können. So können sie die Dauer des Einrichtungsprozesses drastisch senken.
Anhand einer von Innolite hergestellten Maschine zur Fertigung von Replikationswerkzeugen für Mikrolinsenarrays, bei denen Mikrostrukturen in Freiformflächen eingebracht sind, zeigen die Projektpartner, wie gut die KI-Anwendung in der industriellen Anwendung funktioniert. Mikrolinsenarrays gewinnen als Bestandteil hochmoderner optischer Systeme immer mehr an Bedeutung. Ihre Anwendungsfelder reichen von optischen Sensoren über medizinische Lasersysteme bis hin zu Beleuchtungssystemen wie LED-Scheinwerfern. Fertigungsdaten wie CAM-Daten, Toleranzen und analytische Soll-Konturen liegen vor, können aber auch je nach gewünschtem Bauteil generiert werden. Anhand geeigneter Messtechnik prüfen die Projektpartner die Qualität des Werkstücks im Anschluss. So können die Experten Aussagen über die Einflüsse der steuerungs- und regelungsseitigen Komponenten und die Effizienz des Prozesses treffen.
COMPAMED.de; Quelle: Fraunhofer-Institut für Produktionstechnologie IPT