Intelligente soziotechnische Systeme (ITS) in der Arbeitswelt sind über ihren Lebenszyklus unterschiedlichsten Bedingungen ausgesetzt. "Im Lauf des Betriebs der Systeme kommen immer wieder neue Situationen auf, an denen die KI, die das System steuert, scheitert", sagt die künftige Koordinatorin des Netzwerks, Professorin Dr. Barbara Hammer von der Technischen Fakultät der Universität Bielefeld. Stellvertretender Koordinator wird Prof. Dr. Axel-Cyrille Ngonga Ngomo vom Institut für Informatik der Universität Paderborn.
"Unser Ziel ist, KI-Systeme nachhaltig nutzbar zu machen, indem schon bei der Einführung der Systeme die im Lebenszyklus benötigte Flexibilität angelegt wird", sagt Axel-Cyrille Ngonga Ngomo. Barbara Hammer erläutert: "Hierzu müssen von Anfang an auch die Grenzen von KI-Systemen beachtet werden und neben technischen Charakteristika der Systeme deren Auswirkungen auf die Gesellschaft berücksichtigt werden."
Die Forschenden im SAIL-Netzwerk befassen sich mit intelligenten soziotechnischen Systemen in komplexen Umgebungen. Der Verbund konzentriert sich auf zwei hoch relevante Anwendungsfelder: Arbeitsplätze in der Industrie und Assistenzsysteme im Gesundheitswesen.
Um nachhaltige KI für intelligente soziotechnische Systeme zu realisieren, setzt das Netzwerk auf fachübergreifende Zusammenarbeit. Informatiker und Informatikerinnen arbeiten an den Hauptfähigkeiten der KI (Kern-KI). Sie entwickeln dabei unter anderem KI-Systeme, die – anders als aktuell populäre und oft datenhungrige Methoden – auch mit wenigen Daten effizient lernen können. Außerdem richten sie die KI-Systeme so aus, dass sich Vorwissen integrieren lässt, das auf die jeweiligen Einsatzgebiete (Domänen) ausgerichtet ist. So soll robustes Verhalten der KI-Systeme gewährleitest werden. Ingenieurwissenschaftler und Ingenieurwissenschaftlerinnen im SAIL-Netzwerk befassen sich zum Beispiel mit der Frage, wie physikalische Gesetzmäßigkeiten in KI-Systemen integriert werden können oder wie domänenspezifische Datenverarbeitung dazu beitragen kann, KI-Verfahren besonders effizient umzusetzen. Forschende aus den Geistes- und Sozialwissenschaften untersuchen, wie KI-Komponenten zu gestalten sind, dass sie mit der Kognition von Menschen kompatibel sind. Auch befassen sie sich damit, wie mögliche Auswirkungen und Risiken des Einsatzes von KI-Komponenten in der Gesellschaft adressiert werden können.
"Ich gratuliere allen Forschenden, die am Antrag zu SAIL beteiligt waren, zu der Förderzusage – das ist ein großartiger Erfolg", sagt Professorin Dr. Angelika Epple, Prorektorin für Forschung und Internationales der Universität Bielefeld. "Die heute verbreiteten KI-Systeme kommen von global agierenden Technologie-Konzernen, sammeln massenhaft Daten und werden durch energieintensive Rechenzentren unterstützt. Das SAIL-Netzwerk liefert einen bedeutsamen Gegenentwurf dazu: eine verantwortungsvolle und gemeinwohlorientierte Künstliche Intelligenz. Die Universität Bielefeld trägt insbesondere mit ihrer über Jahre aufgebauten Forschungskompetenz zu Kognitiver Interaktionstechnologie zum neuen Netzwerk bei." Dazu gehört, dass die Medizinische Fakultät OWL mit ihrer Forschung zu medizinischen Assistenzsystemen am Netzwerk beteiligt ist.
Die Universität Paderborn bringt ihre Expertise zu menschzentrierten intelligenten technischen Systemen ins SAIL-Netzwerk ein. "Nur wenn Menschen im Zentrum einer modernen Technologiewelt stehen, können nachhaltige Lösungen entwickelt werden", sagt Professor Dr. Johannes Blömer, Vizepräsident für Forschung und wissenschaftlichen Nachwuchs der Universität Paderborn. "Die Verbindung von technologischen und sozialen Aspekten wird schon seit einigen Jahren von Paderborner Forschenden in interdisziplinär angelegten Projekten erforscht und umgesetzt. Das SAIL-Netzwerk schließt an dieses zukunftsweisende, gesellschaftsrelevante Forschungsfeld an."
"Das neue Netzwerk ist ein hervorragender Erfolg für Campus OWL, den Verbund der staatlichen Hochschulen in Ostwestfalen", sagt Professor Dr. Anant Patel, Vizepräsident für Forschung und Entwicklung der Fachhochschule (FH) Bielefeld. Das SAIL-Netzwerk knüpft an die jahrelange Erfahrung der FH Bielefeld an, die sie in der Forschung zu Assistenzsystemen in der medizinischen Begleitung aufgebaut hat. "Die Kompetenz der FH Bielefeld auf dem Gebiet KI ist interdisziplinär und in großen Teilen anwendungsorientiert aufgestellt", so Patel. "Damit ist sie hervorragend geeignet, den gesamten Lebenszyklus der KI zu betrachten. Das SAIL-Netzwerk stärkt überdies auch die exzellente Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses und ermöglicht eine noch engere Zusammenarbeit der vier Partnerhochschulen über kooperative, fächerübergreifende Promotionen."
Die Technische Hochschule Ostwestfalen (TH OWL) ist unter anderem auf intelligente industrielle Automation spezialisiert. "Nachhaltige Künstliche Intelligenz bietet ein riesiges Potenzial für Produktionsabläufe in der Industrie", sagt Professor Dr. Stefan Witte, Vizepräsident für Forschung und Transfer der TH OWL. "Weil nachhaltige KI sich flexibel auf neue Gegebenheiten einstellt, ist sie ideal für eine Produktion im Sinn von Industrie 4.0. Das vereinfacht zum Beispiel die Herstellung individualisierter Produkte. Hinzu kommt, dass die KI-Systeme, wie wir sie im SAIL-Netzwerk entwickeln, betriebswirtschaftlich weniger Kosten verursachen: Sie sind auf langfristige Nutzung angelegt und verbrauchen weniger Energie als aktuelle Systeme."
COMPAMED.de; Quelle: Universität Bielefeld