Feste und funktionstüchtige Zähne bedeuten Lebensqualität. Problemlos sprechen und singen, genussvoll essen und schmecken, lachen und attraktiv aussehen – ohne Zähne ist das alles nicht möglich. Wenn Zähne verloren gehen, gibt es verschiedene Möglichkeiten sie zu ersetzen. Ein Beispiel sind Implantate. Doch festsitzender Zahnersatz kann nur geschaffen werden, wenn noch genügend Kieferknochen als Basis vorhanden ist. Ansonsten muss sich die Patientin oder der Patient zunächst einem monatelangen komplizierten Verfahren mit Knochenaufbau unterziehen. An der Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie (MKG) der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) setzen die Ärzte stattdessen auf eine neue Methode: Sie implantieren ein funktionsstabiles einteiliges Gerüst, in das der Zahnersatz gesetzt wird. "Mit diesem Verfahren können wir auch Patienten in scheinbar hoffnungslosen Situationen zu einem festen Gebiss verhelfen", erklärt Professor Nils-Claudius Gellrich, Direktor der MKG-Klinik. Die Methode wurde patentiert, sie wird zurzeit nur in der MHH angeboten.
"Es gibt unterschiedliche Gründe für den Schwund von Knochenmaterial", erläutert Professor Gellrich. "Das können beispielsweise Entzündungen, Tumore, Unfälle oder auch angeborene Defekte sein." Wenn jahrelang Zähne fehlen und die Kieferknochen nicht mehr durchs Kauen beansprucht werden, kann das ebenfalls zum Abbau führen. Um den betroffenen Patienten eine schnelle und sichere Lösung für festsitzenden Zahnersatz bieten zu können, hat Professor Gellrich gemeinsam mit dem Zahnarzt Dr. Björn Rahlf das funktionsstabile einteilige Gerüstimplantat entwickelt. Das feinverzweigte Gerüst aus Titan, das den Patienten über die Mundhöhle implantiert wird, ersetzt den fehlenden Kieferknochen und beinhaltet zugleich auch schon die Implantat Pfosten für die Zähne. Das Gerüst wird durch viele kleine Schrauben an verschiedenen Stellen mit dem verbliebenen Knochenmaterial verbunden. "So wird der Druck auf den Knochen gut verteilt", erläutert Dr. Rahlf.
Der Patient bekommt zunächst eine provisorische Prothese. Nach einer Einheilungszeit von etwa sechs Wochen wird die Prothese durch festsitzende Zähne ersetzt. "Rein funktional könnten die Patienten am selben Tag ein Schnitzel essen", sagt Professor Gellrich. Die neue patientenspezifische Lösung kann für den Ober- und den Unterkiefer umgesetzt werden. "Das Verfahren eignet sich besonders für ältere und auch für sehr kranke Patienten, die sich nicht dem langwierigen Prozess des Knochenaufbaus mit eigenem Knochenmaterial aus dem Beckenkamm oder der Wade unterziehen wollen", erklärt Dr. Rahlf, der in seiner Zahnarztpraxis in Rendsburg bereits seit 20 Jahren Zahnimplantationen vornimmt und die Bedürfnisse und Nöte der Patienten kennt.
Seit mehr als 20 Jahren beschäftigt sich Professor Gellrich mit dem Einsatz der computer-assistierten Chirurgie (CAS), die auch bei dem neuen Verfahren eine Rolle spielt. Mithilfe von dreidimensionalen Bildgebungen und Rekonstruktionen am Bildschirm ist es möglich, das Gerüstimplantat patientenspezifisch zu planen. "Wir können vorher schon sehen, wie das Endergebnis einmal aussehen wird", sagt Professor Gellrich. Der Patient macht mit seinem individuellen Knochenzustand die Vorgaben für das Implantat. Auch die Herstellung des Gerüsts erfolgt digital. Es wird in einem Laserschmelz-Verfahren in 3D-Technik gefertigt. Kooperationspartner der Klinik ist dabei die KLS Martin Group.
COMPAMED.de; Quelle: Medizinische Hochschule Hannover