Dazu kombinierten sie zwei Methoden: Zunächst strukturierten sie die Oberfläche auf der Mikroskala nach dem Vorbild von Käferfüßen. Anschließend behandelten sie das Silikonmaterial mit Plasma. Außerdem fanden sie heraus, dass sich die Haftung des strukturierten Materials stark ändert, wenn es gekrümmt wird. Ihre Ergebnisse könnten unter anderem interessant sein für die Entwicklung winziger Roboter und Greifvorrichtungen. Sie erschienen jetzt in den Fachzeitschriften Advanced Materials und ACS Applied Materials & Interfaces.
Elastische Kunststoffe wie Silikonelastomere sind in der Industrie sehr beliebt. Sie gelten als flexibel, mehrfach nutzbar, günstig und einfach herzustellen. Verwendet werden sie deshalb zum Beispiel für Dichtungen, zur Isolierung oder als Korrosionsschutz. Durch ihre geringe Oberflächenenergie haften sie jedoch kaum. Das macht es zum Beispiel schwierig, Silikonoberflächen zu streichen.
Wie sich die Hafteigenschaften von Silikonelastomeren nach dem Vorbild der Natur verbessern lassen, erforschen Professor Stanislav N. Gorb und Emre Kizilkan von der Arbeitsgruppe Funktionelle Morphologie und Biomechanik an der CAU. Als Vorbild dient ihnen dabei die pilzkopfartige Oberflächenstruktur bestimmter männlicher Blattkäfer (Chrysomelidae). In zwei aktuellen Studien fanden sie heraus, dass Silikonelastomere am besten haften, wenn ihre Oberfläche pilzkopfartig strukturiert und anschließend sehr gezielt mit Plasma behandelt wird. Das elektrisch geladene Gas bildet den vierten Aggregatzustand neben fest, flüssig und gasförmig. Um die Biologie zu imitieren, kombinieren die Kieler Wissenschaftler also eine geometrische und eine chemische Methode. Außerdem zeigten sie, dass die Adhäsionseigenschaft des mikrostrukturierten Silikonmaterials von seinem Krümmungsgrad beeinflusst wird.
In einem ersten Schritt verglich das Forschungsteam Silikonelastomere mit drei unterschiedlichen Oberflächen, eine unstrukturierte, eine mit säulenförmigen Elementen und eine dritte mit einer pilzkopfartigen Struktur. Mithilfe eines Mikromanipulators hafteten sie eine Glaskugel an das Material und zogen sie wieder ab. Sie testeten, wie sich die Haftung ändert, wenn die mikrostruktierten Oberflächen konvex (nach außen gewölbt) und konkav (nach innen gewölbt) gebogen werden. „Wir konnten so zeigen, dass Silikonelastomere mit einer Pilzkopfstruktur im konkav gekrümmten Zustand eine zweimal größere Bandbreite an Haftstärken aufweisen“, erläutert Doktorand Kizilkan, Erstautor der Studie. "Mit dieser Oberflächengeometrie können wir die Haftung also am besten variieren und haben die größte Kontrolle."
In einem zweiten Schritt behandelten die Wissenschaftler die Silikonelastomere mit Plasma. Mit dieser Methode werden üblicherweise Kunststoffmaterialien funktionalisiert, um ihre Oberflächenspannung zu erhöhen und ihre Hafteigenschaften zu verbessern. Im Vergleich zu anderen Methoden, die mit Flüssigkeiten arbeiten, versprechen Plasmabehandlungen eine größere Langlebigkeit – allerdings beschädigen sie häufig die Oberflächen von Materialien.
Um herauszufinden, wie Plasmabehandlungen die Adhäsion eines Materials ohne Schaden signifikant verbessern können, variierten die Wissenschaftler im Prozess verschiedene Parameter wie die Dauer oder den Druck. Sie stellten fest, dass sich durch eine Plasmabehandlung die Haftung von unstrukturierten Oberflächen auf einem Glasträger um etwa 30% erhöht. Auf der pilzkopfartig strukturierten Oberfläche verbessert sich die Haftung bei optimalen Parametern sogar bis zu 91%.
COMPAMED.de; Quelle: Christian-Albrechts-Universität zu Kiel