Herzleiden gehören zu einer der häufigsten Todesursachen. Weltweit leiden rund 23 Millionen Menschen an Herzschwäche - Tendenz steigend. Künstlich hergestellte Implantate könnten vielen Betroffenen helfen, die auf ein Spenderorgan warten. Der 3D-Druck von passgenauen Implantaten ist in der Medizin nicht mehr wegzudenken, etwa in der Orthopädie oder der Zahnchirurgie.
Bei Implantaten, die elastisches Gewebe ersetzen sollen, ist der Forschungsbedarf jedoch deutlich größer, denn die Anforderungen an die Materialien sind hoch: sie müssen ihre mechanischen Eigenschaften über viele Jahre hinweg erhalten, hundertprozentig beständig und biokompatibel sein und dürfen keine Abstoßungsreaktionen des Immunsystems hervorrufen.
Im Rahmen des Projektes PolyKARD werden biomimetische Polymere entwickelt, die die biologischen und mechanischen Materialeigenschaften des Herzbeutels, auch Perikard genannt, nachahmen sollen. Das Perikard ist eine kollagenhaltige und mechanisch enorm stabile Struktur, die das Herz umgibt.
Klinisch wird das Perikard von Rindern oder Schweinen bereits als Ersatz für menschliche Herzklappen oder zur Rekonstruktion von Blutgefäßen verwendet. Doch die Aufarbeitung des tierischen Gewebes ist teuer und gewährleistet mechanisch keine Langzeitstabilität. Problematisch sind zudem die unzuverlässige Qualität aufgrund der großen Variabilität zwischen den Spendertieren sowie ethische und religiöse Aspekte.
"In dem Projekt entwickeln wir biomimetische Perikard-Ersatzmaterialien, die beispielsweise für künstliche Herzbeutel, Herzklappen, Blutgefäße, Stents, Sehnen oder Septumverschlüsse eingesetzt werden können. Das Besondere daran ist, dass die Implantate aus Photopolymeren bestehen und individuell im 3D-Drucker oder mittels Elektrospinning hergestellt werden können. Die Monomere werden dafür als Tinten, bzw. Harze entwickelt. Sie polymerisieren erst, wenn sie mit UV-Licht bestrahlt werden", erklärt Dr. Wolfdietrich Meyer, der das Projekt am Fraunhofer IAP in Potsdam leitet.
Die neu synthetisierten Polymere werden am NMI in Reutlingen nach DIN EN ISO 10993-5 auf in vitro-Zytotoxizität untersucht. Bei der Verarbeitung der Polymere kommen einerseits verschiedene, 3D-Druck-Fertigungsverfahren zum Einsatz, andererseits wird das sogenannte Elektrospinning eingesetzt.
Am NMI entstehen mit Hilfe dieses Spinnverfahrens poröse Strukturen, die mit dem körpereigenen Gewebe des Patienten verwachsen können. Die hergestellten Trägersubstrate werden hinsichtlich ihrer mechanischen und biologischen Eigenschaften charakterisiert. Ein besonderer Fokus wird hierbei auf die Nachbildung der mechanischen Eigenschaften des Perikards sowie auf das Anwachsverhalten von Zellen gelegt.
Als erste Anwendung des biomimetischen Polymers soll eine neuartige Oberfläche für ein extravaskuläres Herzunterstützungssystem gedruckt werden. Das System der Münchner AdjuCor GmbH basiert auf einem patientenspezifischen, mechanischen Implantat, welches vollständig außerhalb des Blutstroms in der Perikardhöhle um die epikardiale Oberfläche beider Herzkammern positioniert wird.
COMPAMED.de; Quelle: Fraunhofer-Institut für Angewandte Polymerforschung IAP