Die Rossendorfer haben damit den Grundstein zu einer Plattform für Gerüstverbindungen gelegt, die eine Reihe von Actinoid-Metallionen als Primär-Baustein beherbergen kann, nämlich Thorium und Uran sowie die Transurane Neptunium und Plutonium. "Die meisten dieser Elemente aus der letzten Reihe des Periodensystems sind künstlicher Natur. Sie entstehen bei Neutronenbeschuss oder als Nebenprodukt im Kernreaktor. Mit ihnen hat der Mensch äußerst gefährliche Substanzen geschaffen, denn sie sind allesamt radioaktiv und zum Teil extrem toxisch", erläutert Dr. Moritz Schmidt vom Institut für Ressourcenökologie am HZDR. "Das heißt auch: Sämtliche experimentelle Arbeiten müssen wir unter speziellen Sicherheitsvorkehrungen ausführen. Unser Arbeitspferd ist dabei die Koordinationschemie, oder anders gesagt die Komplexbildung von Metallen mit vorrangig organischen Molekülen", fügt Dr. Juliane März zum Hintergrund der Arbeit des Teams hinzu.
Ein noch relativ junges Gebiet innerhalb der Koordinationschemie bilden die metallorganischen Gerüstverbindungen. Die ultrahochporösen Feststoffe bestehen aus Metallen oder Metall-Sauerstoff-Clustern, die mittels Verstrebungen aus organischen Chemikalien miteinander modular verbunden sind und Netzwerke aus flexiblen Hohlräumen bilden, die an die Poren eines Küchenschwamms erinnern. Im Fokus der Forschung standen zunächst die Übergangsmetalle. "Gute Aussichten auf neue Anwendungen führten bald zu einer Ausweitung auf Elemente mit komplexeren Elektronenhüllen – zunächst auf die Seltenerdmetalle und schließlich auch auf die Actinoide. Gerade zu den nicht natürlich vorkommenden Transuranelementen wie Neptunium und Plutonium ist aber noch so gut wie nichts bekannt", umreißt März kurz die Chronologie.
Als organische Verstrebung haben sie chemisch modifiziertes Anthracen eingezogen, einen bekannten Vertreter der polycyclischen aromatischen Kohlenwasserstoffe. "Wir wissen, dass kristallines Anthracen der beste organische Szintillator ist: Geht energiereiche Strahlung durch diese Substanz, regt sie deren Moleküle durch Stoßprozesse an. Die Anregungsenergie wird in Form von blauem Licht wieder abgegeben. Deshalb leuchten unsere Gerüstverbindungen auch von selbst", berichtet Schmidt. Darüber hinaus zeigen sie noch eine weitere besondere Eigenschaft: die Breite ihrer Bandlücke, die ein Maß für den energetischen Abstand zwischen dem Valenz- und dem Leitungsband ist. "Bei einem Halbleiter ist bei sehr tiefen Temperaturen nur das Valenzband mit Ladungsträgern besetzt, er ist in diesem Zustand nichtleitend. Bei Energiezufuhr wandern sie in das Leitungsband und führen so zu einem Stromfluss. Messungen zeigen, dass unser neues Material zu den sogenannten breitbandigen Halbleitern gehört, die vor allem in der Leistungselektronik und Sensorik zum Einsatz kommen. Dadurch wird eine Anwendung als Detektor für ionisierende Strahlung denkbar – eine konstante interne Strahlungsreferenz liefern unsere eingebauten Actinoide gleich mit", freut sich Schmidt.
Mit Beginn der MOF-Forschung hatten Arbeitsgruppen weltweit Vertreter synthetisiert, die immer größere innere Oberflächen aufwiesen und deshalb als Alternative für Aktivkohle oder Zeolithe etwa bei der Stofftrennung oder in katalytischen Prozessen gelten. Ihr Vorteil: Durch den baukastenartigen Aufbau lassen sich vielfältige Netzwerk-Topologien umsetzen und die Porengrößen durch Auswahl einer passenden Verstrebung hinsichtlich einer gewünschten Anwendung sehr fein justieren, beispielsweise als effizientes Adsorptionsmittel für eine ganz spezielle Chemikalie.
COMPAMED.de; Quelle: Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf