Beim Betrieb von Umformpressen fallen große Datenmengen an, die automatisiert erfasst und gespeichert werden. Das reicht von Prozessinformationen wie Umformkraft oder Hubzahl über Qualitätsangaben, bis hin zu zustandsbezogenen Daten und Prozessstellgrößen wie der Betriebsdauer. Bisher erfasst der Maschinenanwendende diese Daten meist nur an der Maschine selbst. Er aggregiert sie jedoch weder über den Maschinenpark, noch teilt er sie mit den Beteiligten, wie z. B. den herstellenden Unternehmen oder Zulieferfirmen. Auch eine strukturierte Analyse, Auswertung und Anwendung der Daten findet bisher nur selten statt. Es fehlen Konzepte und Technologien für einen geschlossenen Datenlebenszyklus, in dem Daten nachhaltig aufbereitet, aufgerufen und souverän geteilt werden können, um neues Wissen zu erzeugen. Kurzum: Es fehlen kognitive Internet-Technologien.
Das Fraunhofer CCIT liefert einen Lösungsansatz, bei dem kognitive Internet-Technologien eine durchgehende Prozesstransparenz garantieren und dadurch die Gesamtanlageneffektivität (Overall equipment effectiveness) am Beispiel von Umformmaschinen erhöhen. Kern des neuen Technologieansatzes ist der smartNotch: Mit dem intelligenten Nutenstein lassen sich Produktionsprozesse kontinuierlich und automatisiert überwachen. Das neue Sensorkonzept kann einfach und flexibel in den Innenraum der Umformpresse eingesetzt werden. Dort kann es an den Schnittstellen zu den Werkzeugen Deformationen sowie Lasten messen und die Daten via Funk an ein Auswertesystem übertragen. "Die Technologie erlaubt ein kontinuierliches Monitoring, welches inline, beispielsweise für Verschleißerkennung, Schutz, Abnahme und Einarbeitung des Werkzeugs genutzt werden kann. Somit können Abläufe optimiert und Prozesse agiler werden", sagt der CCIT-Verantwortliche Robin Kurth.
An die von der smartNotch gewonnen Daten lassen sich Nutzungsbedingungen heften. Das versetzt Maschinenanwendende in die Lage, selbst zu bestimmen, mit wem, zu welchen Zwecken und unter welchen Bedingungen sie Daten der Umformpresse austauschen wollen. Intelligente, sichere und standardisierte Edge Devices schaffen dabei die notwendigen Schnittstellen für vernetzte Verarbeitungsketten über regionale, nationale oder internationale Unternehmensgrenzen hinweg. Ist die Datensouveränität und damit das Intellectual Property (IP) gesichert, lassen sich Datensilos zusammenführen. Anwendende, Herstellende und Zulieferbetriebe der Umformmaschinen können Verfahren des Maschinellen Lernens (ML) und Methoden der Künstlichen Intelligenz (KI) auf die aggregierten Daten anwenden. Dadurch entsteht neues Wissen, z. B. über die Leistungsfähigkeit und Fehleranfälligkeit der Maschinen. Weitere Informationen kommen hinzu, wenn die Erfahrung, die sich die Facharbeitenden während der langen Laufzeit einer Umformmaschine angeeignet haben, bei der Entwicklung eines geeigneten Analyse-Algorithmus, berücksichtigt wird. Deren Integration ist mit dem Informed-Machine-Learning-Ansatz des Fraunhofer CCIT möglich.
Mit dem Lösungsansatz stehen allen Beteiligten jederzeit exakt die Informationen zur Verfügung, die sie benötigen, um die Effizienz der Umformmaschinen zu erhöhen. Sie können z. B. neue Maschinen und Prozesse schneller anfahren, neue Presswerkzeuge zielgerichteter erproben oder die Pressen vorausschauender Instand halten. Gleichzeitig ermöglicht das intelligente Erfassen, sichere Teilen und systematische Auswerten der Daten neue Geschäftsmodelle: Den Vertrieb der Maschinen versetzt es z.B. in die Lage, der Kundschaft nicht nur die Hardware, sondern gleichzeitig auf den Daten basierende Smart Services anzubieten. Beispiele sind der Betrieb kompletter Maschinen aus der Ferne (Equipment-as-a-Service/EaaS) oder die gezielte Nachrüstung und Modernisierung (Retrofit) einer Bestands-Presse.
COMPAMED.de; Quelle: Fraunhofer Cluster of Excellence Cognitive Internet Technologies (CCIT)